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Barbara

Barbara wirkt auf den ersten Blick unnahbar und stark. Sie hat jetzt bereits in drei Ländern gelebt, eine Familie gehabt mit zwei Töchtern, die sie über alles liebt. Sie hat die guten und die schlechten Seiten des Lebens kennengelernt, das Gefühl geborgen zu sein in einer Ehe, die Zerstörung dieser, sie hat sich selbst verloren und wieder gefunden, sie hat das Leben der Reichen und der Armen kennengelernt. Sie hatte alles, dann wieder nichts: Nun baut sie sich ein neues Leben auf, hier - in Miami. 

 

Träume

 

Vor vielen Jahren studiert Barbara in Italien Sozialanthropologie. Sie beschäftigt sich mit den indigenen Völkern in Zentralamerika, will endlich dorthin und forschen, für ihre Abschlussarbeit. Sie ist fasziniert von den Frauen dort, insbesondere von der guatemaltekischen Frauen- und Menschenrechtsaktivistin Rigoberta Menchú, die 1992 den Friedensnobelpreis gewinnt. Von Italien ist sie sowieso enttäuscht. Sie findet ihre Landsleute werden immer oberflächlicher und materialistischer. Barbara will raus. Sie will endlich tief gehende Erfahrungen machen, andere Kulturen kennenlernen, nicht nur studieren und reden, sondern auch handeln, verstehen lernen, mithelfen. 1993, da ist sie 23 Jahre alt, packt sie ihre Sachen und reist mit ihrer besten Freundin und Kommilitonin nach Guatemala. Sie träumt von einer Karriere in den Vereinten Nationen, sie will Bücher schreiben über die Maya Völker, sie will die Welt verändern.

Die erste Zeit ist aufregend. Barbara und ihre Freundin kommen in einer einheimischen Gastfamilie unter, sie beginnen Guatemala zu entdecken - ein Land voller Gegensätzen, mit großer Armut, die überall sichtbar ist und einigen, sehr, sehr reichen Leuten. Barbara ist eine junge Europäerin voller Idealismus, sie will die Welt entdecken und verändern. Sie beginnt ein unbezahltes Praktikum bei den Vereinten Nationen. Es ist die Zeit des Friedensprozesses in El Salvador und Guatemala. Nach Jahrzehnten des Bürgerkriegs mit Hunderttausenden von Toten soll es in beiden Ländern eine Demokratisierung geben. Barbara reist nach El Salvador in die ländlichen Regionen, sie sieht das erste Mal mit eigenen Augen, dass es den Menschen an allem fehlt, sie haben kein Strom, kein Wasser, keine Medizin, jede kleine Krankheit kann, insbesondere für Kinder, tödlich sein. 

 

Die Familie

 

Das Projekt der UN, an dem sie teilnimmt, wird von der italienischen Regierung unterstützt, der Projektleiter ist ein Italiener. Fabrizio ist acht Jahre älter als sie, Anfang dreißig, geschieden, erfolgreich, mehrsprachig, weltgewandt. Er hat eine starke Persönlichkeit, ein tiefes ethisches Empfinden, er will ebenfalls etwas bewirken. Barbara ist fasziniert von ihm, er verliebt sich in sie. Bereits nach einem Monat leben sie zusammen, Barbara will mit ihm zusammen sein und sieht die Chance in Guatemala zu bleiben, nicht mehr nach Italien zurückkehren. Sie konzentriert sich auf die Beziehung, die beiden arbeiten zusammen und verbringen jede freie Minute miteinander, Barbara will unbedingt ein Kind mit ihm zu haben. „I don’t know why I was so obsessive with having a baby. I was a smart girl with a lot of dreams and ideas, but at the same time I was very analytical. I always had something to say in the world.“ Für ihre Abschlussarbeit vergleicht sie Geburten bei den Inka Völkern mit denen in der westlichen Welt. Jetzt will sie das Muttersein selbst erfahren. Barbara wird schwanger, sie heiraten, Fabrizio und sie sind glücklich. 

Mit der Schwangerschaft verschiebt sie ihre Abschlussarbeit, später wird sie erzählen, sie weiß nicht warum. Zu Beginn der Schwangerschaft fühlt sie sich voller Liebe und voller Energie. Doch ab dem fünften Monat gibt es Komplikationen, sie muss drei Monate liegen, darf sich nicht bewegen - eine Risikoschwangerschaft. Barbara bleibt im Bett, in einem fremden Land, ihre Familie weit weg, ihr Mann arbeitet mehr als zwölf Stunden täglich. Sie fängt an sich unwohl zu fühlen, frustriert, sie ist abhängig, kann nicht raus - sie hat Angst ihr eigenes Leben zu verlieren.

Nun leben sie in einer der wohlhabenden Gegenden, fern von dem Leben, das sie so interessiert und nach Guatemala gebracht hat. Sie leben nun das Leben der Reichen, sie haben Angestellte zu Hause, machen schöne Urlaube, am Wochenende gehen sie normalerweise aus in Restaurants und teure Bars.

 

Bei der Geburt verliert Barbara fast ihr Leben. Sie hat sich durchgesetzt gegen ihren Mann, will das Kind zu Hause in der Badewanne bekommen, eine natürliche Geburt, wie bei den Inka-Frauen. Die Geburt dauert dreizehn Stunden, sie bekommt keine Schmerzmittel, eine amerikanische Hebamme hilft ihr, ihre Tochter Martina auf die Welt zu bringen. „It was a hippie idea“, lacht sie, „but the problem was not that I made the wrong choice, but I had the wrong midwife.“ Nach der Geburt wird Barbara ins Krankenhaus eingeliefert, sie hat viel Blut verloren und bekommt drei Liter Blutkonserven. Es wird ihre erste Begegnung mit dem Tod sein, weitere werden folgen. Fabrizio ist geschockt von den Erlebnissen.

Mit Martina ist das Leben schön, sie fühlen sich wohl als Familie, zu dritt. Nach einigen Monaten beginnt Barbara langsam wieder zu arbeiten, sie ist voller Ideen. Nachdem Martina mit eineinhalb Jahren in die Kinderkrippe kommt, gründet Barbara ein Magazin mit einer Freundin. Sie berichten über soziale Themen, Entwicklungshilfe, soziale Theorien und schreiben Artikel über politische und soziale Themen in Zentralamerika. Sie mag das Leben als Journalistin, lernt viel über das Handwerk und über das Land.

Als Martina vier ist, wird Barbara erneut schwanger. Sie will das Baby, will ihrer Tochter eine Schwester schenken, so wie sie eine Schwester hat, die sie so liebt. Auch jetzt gibt es wieder Probleme - es ist erneut eine Risikoschwangerschaft und Barbara muss zu Hause blieben und sich schonen. „This was the time, when the relationship with my husband reached a bad path“, erzählt sie. Fabrizio arbeitet sehr viel, Barbara, schwanger und mit einem Kleinkind zu Hause, wird immer frustrierter. Sie beginnt ihn verantwortlich zu machen, für ihre Situation, lässt ihren Frust an ihm raus - er, der erfolgreiche UN-Diplomat, sie die ans Bett gekettete Mutter seiner Kinder. 

Diesmal gehen sie für die Geburt in ein sehr gutes Krankenhaus. Alles verläuft ohne Komplikationen. Als Ariana auf die Welt kommt, ist Barbara wieder glücklich- vergisst für kurze Zeit ihren Frust, sie kümmert sich um ihre Töchter und ist dankbar, dass sie soviel Zeit mit ihnen verbringen kann. Zwei Jahre vergehen, in denen sie ihnen unglaublich nahe ist und die Zeit nur mit ihnen verbringt.

2002 kaufen Fabrizio und Barbara ein Restaurant in Antigua Guatemala, vierzig Kilometer von Guatemala Stadt entfernt. Barbara will nicht in einem Büro als Angestellte arbeiten, die Töchter sehen schon ihren Vater kaum. Sie will eine berufliche Situation schaffen, in der sie arbeiten und gleichzeitig ihre Kinder um sich haben kann. Außerdem liebt sie italienische Küche, von klein auf hat sie von ihrer Großmutter das Kochen gelernt und ihr Talent bei zahlreichen Einladungen in ihrem Haus bewiesen. Die Leute lieben ihre Pasta.

Sie eröffnen das Restaurant "Caffe Opera" und kaufen ein wunderschönes Haus in der Nähe. Fabrizio verlässt die UN für ein Jahr und führt zusammen mit Barbara das Restaurant. Die Geschäfte laufen gut, aber zwischen den beiden funktioniert es nicht mehr. Es kommt zu Machtkämpfen, Fabrizio will die Dinge anders machen als Barbara, sie streiten sich um Kleinigkeiten, wie die Farbe der Servietten. „I fought with him about these little things to feel less insecure and more important. I was very stupid, because I had a good man, but we both liked fighting and power - this was a bad combination“. Barbara und ihr Mann entfernen sich voneinander. Er beginnt wieder in Guatemala Stadt zu arbeiten, unter der Woche wohnen sie in Guatemala City, am Wochenende in Antigua Guatemala. Barbara fährt auch unter der Woche nach Antigua Guatemala, um das Restaurant zu führen. Das Zusammenleben wird immer schwieriger. Fabrizio ist omnipräsent in ihrem Leben, er hat die Häuser gekauft, in denen sie leben, er hat das Restaurant gekauft; die gemeinsamen Kinder, alles teilt sie mit ihm. Es könnte schön sein, friedlich, aber das ist es nicht. Sie haben immer gestritten, aber jetzt wird es schlimmer. Barbara muss raus, sie muss wieder nach sich selbst schauen, irgendetwas machen, damit sie sich wieder selbst fühlt. Oft versucht sie Fabrizio zu erklären, dass sie sich in all dem selbst verloren hat, sie versucht, dass er sie versteht. Erst durch Gespräche, dann durch Streit.

Irgendwo zwiachen all der Verantwortung, zwischen der Arbeit Fabrizios, dem Restaurant, das sie führt, aber ihm gehört, den Töchtern, dem Streit, verlieren sie sich. Nach einem großen Streit, kurz vor ihrem vierzigsten Geburtstag, kann Barbara nicht mehr. Sie weiß, dass es zu spät ist. Sie sagt Fabrizio, sie werde ihren Geburtstag alleine verbringen. „They are men, they never believe us.“

Sie bucht einen Flug nach Peru. Die Reise wird ihr Leben verändern. „For me my life is split between before Peru and after Peru“, erzählt sie.

 

Die Scheidung

 

Barbara verbringt fünf Tage in Peru. Sie verliebt sich in einen jungen Mann, er ist Indio, stammt von den Inka Völkern ab. Endlich fühlt sie wieder sich selbst. „I was lost behind my husband, my daughters“. Kurz danach wird sie ein Buch über die indigene Umweltbewegung schreiben, sie wird ihre Leidenschaft für diese Kultur wieder leben - durch ihre Arbeit und durch eine kurze, leidenschaftliche Liebesgeschichte mit dem jungen Mann. Sie wird fast alles zerstören, was von ihrer Ehe noch übrig ist. Den Rest wird Fabrizio erledigen.

 

Nachdem Barbara aus Peru zurückkehrt, weiß sie, dass sie nicht mehr in ihr altes Leben zurückkehren kann. Kurze Zeit später fährt sie wieder nach Peru auf eine Umweltkonferenz und trifft dort auch ihren Liebhaber wieder. Sie will ein Buch über die Konferenz schreiben und an ihrer akademischen Karriere arbeiten. Sie trifft viele interessante Menschen, am Abend dann ihn. 

Wieder zu Hause spricht sie mit Fabrizio. Sie will und kann sich nicht verstecken und sagt ihm die Wahrheit. „He never forgave me“, erzählt sie mit Tränen in den Augen. „Instead he used all his power to destroy me“. Fabrizio ist außer sich, er gibt ihr drei Wochen, um sich zu entscheiden - zwischen ihrem alten und ihrem neuen Leben. Barbara braucht Zeit, sie kann nicht so weiterleben. Sie trennen sich, Barbara verlässt das Haus und zieht zunächst in das Nachbarhaus, welches ihrem Vater gehört. So kann sie nah bei ihren Töchtern sein. Das Restaurant läuft schlecht, infolge der ganzen Ereignisse hat sie das Geschäft schleifen lassen. Fabrizio will sie aus seinem Leben haben, er ist voller Wut und gekränktem Stolz. In den kommenden Monaten wird er all ihre Sachen aus dem gemeinsamen Haus entfernen und ihr in Müllsäcken vor die Türe werfen, er wird sie anschreien, schütteln, ihr den finanziellen Boden unter den Füßen wegreissen, er wird sich weigern, angemessenen Unterhalt zu zahlen, sie als faul bezeichnen, als Frau, die nie richtig gearbeitet hat, er wird mit seinem Anwalt eine Liste erstellen, wieviel Geld er im Laufe der Ehe für sie ausgegeben hat, für Kleider, Essen, Urlaube, das Auto. Sie wird ihn wegen häuslicher Gewalt anzeigen, Unterhalt gerichtlich erzwingen, sie wird ihm alle Häuser überlassen, aus schlechtem Gewissen und für ihre Töchter oder vielleicht auch weil sie will, das der Alptraum endlich vorbei ist. 

Barbara ist sehr traurig, während sie ihre Geschichte erzählt. „I respected him, like he was. But people change, women and men - we go to different processes in our lives. In this time, I really understood for the first time, how difficult it is to be a woman. He saw me like he wanted to see me. But I was not the same person he met anymore. He didn’t like the change because he felt it was against him. He didn’t notice the signals. I spoke to him a lot of times before, but he closed his eyes. He didn’t like the change that was going on, that I wanted to discover more things and have a different life. You can’t stay frozen in your life, all the years in the same role. But when I would talk to him about this, he would say I’m crazy and never happy. At the end everything is about possession and power.“

Fabrizio ruft ihre Eltern an, er hat eine sehr enge Beziehung zu ihnen, sie sollen ihre Tochter zur Vernunft bringen - Barbaras Mutter reist nach Guatemala, der Vater ist entsetzt über seine Tochter. Mit der Scheidung bricht die ganze Familie auseinander. Barbara ist frei, aber sie zahlt einen hohen Preis dafür. Ihr Vater hört auf, mit ihr zu sprechen, ihre Töchter sind eine Woche bei ihrem Vater und einer Woche bei ihr. Sie bekommt ein Jobangebot bei der UN in Kolumbien, eine Chance, sich wieder beruflich etwas aufzubauen, doch Fabrizio verbietet, dass sie ihre Töchter mitnimmt. Sie bleibt in Guatemala - bei ihren Kindern. Fabrizio vergibt ihr all die kommenden Jahre nicht, in denen sie durch alle Höhen und Tiefen geht. Sieben Jahre ist Barbara Single, sie bekommt das Restaurant bei der Scheidung, den Rest überlässt sie Fabrizio. Sie hat gerade soviel Geld, das Restaurant weiterzuführen und ihr Leben zu bestreiten, aber von den ehemaligen glamourösen Tagen ist wenig geblieben. Manchmal geht es ihr gut, dann fühlt sie sich frei, ist dankbar für die Zeit mit ihren Töchtern (das einzige was sie und Fabrizio gemeinsam entschieden haben, ist das die Töchter nicht unter ihrer Scheidung leiden sollen). Das Restaurant läuft zeitweise richtig gut, sie fühlt sich voller Kraft und mächtig, sie hat junge Liebhaber, schreibt Bücher, lebt das Leben in vollen Zügen. Doch oft ist es schwierig, sie fühlt sich alleine und blickt immer wieder in Abgründe, das Restaurant läuft dann schlechter, sie hat kein Geld, fühlt sich alleine, wird geplagt von ihrem schlechten Gewissen, was sie Fabrizio angetan hat, ob sie die richtige Entscheidung für ihre Familie getroffen hat. 

An einigen Tagen merkt sie, wieviel sie erreichen kann, dass nur ihre Selbstbeschränkung sie gehindert hat, ihre Ziele zu erreichen. Nun hat sie zwei Bücher geschrieben, all die Liebesgeschichten, die sie wollte, all die Leidenschaft. Doch dann ist sie wieder müde vom Alleinsein, dem Leben in Extremen, den lateinamerikanischen Männern, die voller Leidenschaft sind, aber nicht treu sein können und immer noch eine Exfrau oder eine Frau oder sonstige Verpflichtungen haben. „When I came to Guatemala I was a protected baby. Protected from my parents, then protected from my husband. This big process made me stronger, but I paid a high price for it“.

Barbara hat ihre Kinder, ihr Restaurant, sie gibt einmal im Monat ein Magazin über Antigua Guatemala heraus, sie hat einen jungen Liebhaber, der sie verehrt, doch mit dem sie keine stabile Beziehung führen kann. Das Leben in Guatemala nimmt ihr die Kraft, die politische Situation frustriert sie. Eine Freundin verlässt Guatemala und schreibt ihr: „It’s incredible how this country can give you everything and take everything from you at the same time.“ 

Sie ist dieses Land leid, sie ist es leid alleine zu sein. Barbara muss sich ausruhen von dem Leben am Limit. Sie bucht einen Urlaub für eine Woche - nach Miami.

 

Miami

 

„I think two things connected when I decided to change my life again, First, I wanted to change the country and second, I was tired of being alone. I’m not the kind of woman who doesn’t need a man. Perhaps I will be in the future, but not now“, lacht sie. „For many years, I was very cold, very cynical and sarcastic about love and marriage - I was disappointed. I saw what happens, when people that used to love you start to hate you.“ 

Es ist der letzte Abend ihres Urlaubs in Miami, sie hat sich mit Freunden getroffen, die Möglichkeit durchdacht in Miami ein weiteres Restaurant zu eröffnen - dann trifft sie Michael. Er ist Fischer, wie ihr Vater, blond, Amerikaner, geschieden mit zwei Kindern. Alles geht plötzlich wieder ganz schnell. Sie verbringen ihren letzten Tag in Miami zusammen, er besucht sie danach in Guatemala und sie ihn in Miami. Nach einem halben Jahr hält er um ihre Hand an, sie beschließen zu heiraten. Beide sind Mitte vierzig.

Barbara ist optimistisch, will endlich wieder zur Ruhe kommen. Sie will nicht den Rest ihres Lebens in Guatemala verbringen. Sie beschließen ihren Umzug nach Miami. Fabrizio wohnt mittlerweile mit seiner neuen Lebensgefährtin in Panama, Martina studiert dort an der Universität und ist deshalb zu ihm gezogen. Nun muss sich Ariana entscheiden, ob sie mit Barbara nach Miami ziehen möchte oder zu ihrer Schwester und dem Vater nach Panama - sie entscheidet sich für ihren Vater und die Schwester. Es fällt Barbara schwer ihre Töchter gehen zu lassen, aber sie hat auch Träume von ihrem neuen Leben. Endlich kann sie wieder mit jemandem leben, den sie liebt, sie will sich um Michael kümmern, ihre Ehe genießen und endlich wieder zur Ruhe kommen. 

Sie stellt sich vor, wie sie für ihn kocht, während er mit dem Boot draußen ist, wie sie an einem neuen Buch schreibt. Auch er wünscht sich endlich jemanden, mit dem er sein Leben teilen kann, auch er hat eine gescheiterte Ehe hinter sich, zwei Söhne, die in Südamerika leben. Sie haben sich gefunden.

„Of course it was only a dream“, lacht Barbara, die entschieden hat, nicht zu viel über ihre neue Ehe sprechen zu wollen. Die Realität sieht anders aus, leicht ist es nicht. Barbara verkauft ihr Restaurant weit unter Wert und zieht 2016 nach Miami. 

An einem schönen, sonnigen Tag heiraten Michael und sie - im ganz kleinen Kreis, nur einige Freunde von Michael sind da, ihre Töchter, Familie und ihre Freunde - weit weg. „In a moment of optimism maybe we wanted to put the pieces of two broken hearts together“. Michael arbeitet sehr hart als Fischer und Kellner. Er hat keinen freien Tag, wenn er nach Hause kommt ist er müde. Barbara geht in eine Sprachschule, um ihr Englisch zu verbessern. Sie muss nun auf die Papiere warten, auf die Arbeitserlaubnis, dann auf die Green Card. Solange darf sie die USA nicht verlassen, die ersten Monate darf sie nicht arbeiten. Die beiden leben in einer Einzimmerwohnung in Little Havana, dem kubanischen Viertel Miamis. Wenn Michael aufs Meer geht, steht er vor Sonnenaufgang auf, Barbara ist den ganzen Tag alleine. Nachmittags, wenn er zurückkommt, den ganzen Tag dem Meer und der glühenden Sonne ausgesetzt, muss er schlafen. Im Zimmer gibt es keine Rückzugsort - es ist eng. Am Abend geht er zu seiner Schicht ins Restaurant. Die gemeinsame Zeit ist knapp. Barbara wartet auf ihre Papiere, sie vermisst ihre Töchter, aber sie kann nicht nach Guatemala oder Panama, das gefährdet den Immigrationsprozess. Der Anwalt, den sich die beiden genommen haben ist teuer, um ihn zu bezahlen muss Michael viel arbeiten, doch es ist notwendig für all die Papiere. Das gemeinsame Leben ist anders, als sie sich es vorgestellt haben. „We developed a lot and I think we were very brave to start this relationship and to love again“, erzählt sie ein Jahr nach ihrer Ankunft in Miami. Barbara weiß damals, dass sie einen Wechsel will, doch der Anfang ist sehr schwer. „ I hated Miami. It is full of rich people from Latinamerica. They spend their money here and think they are Americans, but they are not. It is a very superficial world“. Mit der Zeit gewöhnt sich Barbara an die Stadt, sie versteht, wie sehr sie durch Lateinamerika geprägt ist. Sie entdeckt die Viertel, die verschiedenen Kulturen um sich herum, die Musik, die Sprache. Sie fühlt sich immer wohler, denn sie kommt dort her. Mit Michael dagegen merkt sie, wie unterschiedlich die beiden kulturell geprägt sind. Sein Leben dreht sich um seine Arbeit, er arbeitet hart, um sein Geld zu verdienen, die amerikanische Kultur des „hire and fire“ schockiert sie. Es gibt keinen freien Tag, keine Verschnaufpause,  sie spürt die Wurzeln der calvinistischen Arbeitsethik, der Kapitalismus ist allgegenwärtig.

Oft lassen sie diese Unterschiede verzweifeln, sie haben wenig Zeit gemeinsam, kein Geld und Miami ist teuer. Doch sie kann nicht einfach gehen, sie muss auf die Papiere warten, durchhalten, vernünftig sein - und trotz all den Unterschieden liebt sie ihn. Nachdem sie ihre Arbeitserlaubnis bekommt, beginnt Barbara in einem Restaurant als Assistentin der Geschäftsführung zu arbeiten, Michael und sie ziehen aus der kleinen Wohnung in ein kleines Haus, ihre Töchter kommen für einige Wochen zu Besuch. Noch immer arbeitet Michael sehr viel. Auch Barbara arbeitet viel, an ihren zwei freien Tagen ist sie so müde, dass sie kaum das Haus verlassen mag. Doch sie hat Pläne. Bald will sie ihre eigene Catering-Agentur eröffnen. Irgendwann vielleicht ein Restaurant, aber nicht in Miami. Ein wenig weiter im Norden Floridas, da, wo es ruhiger ist, wo Michael dann den Fisch für das Restaurant liefern kann.

Noch immer haben die beiden kaum Zeit füreinander, das erste Jahr war schwierig, es hat seine Spuren hinterlassen. Wenn ich stärker bin, müssen sich die Dinge ändern, sagt sie. Aber gerade darf sie sich nicht beschweren, sie muss durchhalten. „Life showed me again, how important it is for a woman to have her own money. Money is power and women need money so they can make decisions about their lives.“ 

 

Irgendwann, wenn sie alt ist, sagt Barbara, will sie eine schöne betagte Frau sein und im Kreise ihrer Freunde, die aus allen Ecken der Welt kommen sitzen. Sie will belesen sein, immer ein Buch in der Hand, genug Geld auf dem Konto haben um sich keine Sorgen machen zu müssen. Ihre Kinder würde sie gerne in der Nähe haben, vielleicht ein paar Enkel.

 

Eine starke Frau zu sein ist nicht einfach, sagt sie. Eine starke Frau muss fähig sein ihre eigenen Ängste zuzulassen und zu überwinden, aber nicht zu ignorieren. Eine starke Frau ist ganz und gar sie selbst, egal, was das bedeutet. Sie kann nicht stark sein und gleichzeitig ein Herz aus Stein haben, kühl und abgebrüht. Liebe ist das Wichtigste. Und sie weiß, dass die meisten Liebe und Leidenschaft als Schwäche betrachten. „If you are aware of your feelings, if you can feel, that makes you stronger. Most men feel weak when they talk about love. This is sad. Most men in my life told me, that I am crazy. Because I wanted to reach something, because I wanted more love, because I wouldn’t just accept how it is. But I always saw myself as very analytical. And now that I'm almost fifty years old, I'm coming to this conclusion, that I'm not crazy after all. Men are often so dysfunctional, incapable to see in the mirror, to live emotion. They are obsessive about their jobs, sport or their mothers and they blame you, that you are crazy because you want more. We still didn’t point out this problem.

We have to live this concept of sisterhood, we have to support each other, this circle makes you strong. And the solution must always include love. We can be feminists and accept love at the same time.“

 

 

* Barbara lebt und arbeitet weiterhin in Miami. Sie erhielt ihre vorläufige Green Card ein Jahr nach ihrer Hochzeit.

 

 

 

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